Monster-Inflation! Wie der Teuer-Schock unser Leben verändert

2022-11-03 15:39:41 By : Mr. Jack Yang

Von Thomas Block, Lydia Rosenfelder und Simon Czura

Die Preise kennen nur eine Richtung – aufwärts! Das Leben in Deutschland ist mehr als 10 Prozent teurer als noch vor einem Jahr (Inflation im Oktober: 10,4 Prozent). Am stärksten gestiegen sind die Preise für Lebensmittel (plus 20,3 Prozent) und Energie (plus 43 Prozent). Wer soll sich das noch leisten können?

Eine INSA-Umfrage für BILD am SONNTAG (1004 Befragte am Freitag) zeigt: 61 Prozent fühlen sich durch die Preissteigerungen stark oder sehr stark belastet. Mehr als jeder Dritte (36 Prozent) hat Angst, dass er seine Rechnungen im Winter nicht mehr bezahlen kann.

Dass die Preise in naher Zukunft wieder zurückgehen, halten Experten für nahezu ausgeschlossen.

„Alle Waren werden sich auf einen neuen Preis einpendeln“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung beim Münchner Ifo-Institut, zu BILD am SONNTAG. „Das Brötchen, das statt zum Beispiel 55 nun 85 Cent kostet, wird erst mal so teuer bleiben.“

Für die Wirtschaft sind die Preissteigerungen doppelt bitter. Die Betriebe müssen nicht nur die höheren Kosten stemmen, sondern auch noch mit dramatischen Umsatzeinbußen rechnen. Denn wer weniger hat, kann auch weniger ausgeben.

Die Krise trifft selbst den Internet-Riesen Amazon. Er korrigierte Ende der Woche seine Gewinnprognose nach unten, die Aktie brach um 20 Prozent ein.

Auch der deutsche Einzelhandel blickt kurz vor dem Weihnachtsgeschäft düster auf die Entwicklungen. Laut INSA will jeder Zweite (46 Prozent) an Weihnachten sparen, davon 79 Prozent an Geschenken.

Die wichtigste Saison für den Einzelhandel (ein Fünftel des Jahresumsatzes) droht 2022 mager auszufallen.

Die angekündigten Entlastungsmaßnahmen bezeichnet Genth als „kleinen Lichtblick“. Aber: „Die Zeit läuft davon. Vor allem bei der geplanten Strom- und Gaspreisbremse muss es zügig und mit konkreten Aussagen vorwärtsgehen.“

Auch auf die Gastronomen kommen nach Corona schon wieder harte Zeiten zu. Konjunkturexperte Wollmershäuser: „Die Leute werden sich beim Essengehen zurückhalten.“

Und: Der sinkende Konsum werde das Land in die Rezession treiben. „Die Sparpolster, die die Haushalte in den letzten Jahren beiseitegelegt haben, sind abgetragen.“

In Zahlen: Laut INSA-Umfrage sagen nur neun Prozent der Menschen in Deutschland, dass sie sich aktuell wegen der hohen Preise nicht einschränken.

Die meisten sparen beim Heizen (51 Prozent) und beim Strom (48 Prozent). Aber auch beim Urlaub (44 Prozent), beim Restaurant- (49 Prozent) und Kneipen-Besuch (43 Prozent) schnallen sie den Gürtel enger.

Der Hotel- und Gaststättenverband ist besorgt. „Seit Monaten erlebt unsere Branche eine beispiellose Kostenexplosion“, sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga und verweist auf die hohen Kosten bei Lebensmitteln, Energie und Personal.

Bei den Kunden seien diese Steigerungen noch gar nicht voll angekommen, so Hartges. „Unsere Daten zeigen: Um einen Umsatzrückgang zu vermeiden und den Kunden entgegenzukommen, geben die meisten Hotels und Gaststätten die exorbitanten Kostensteigerungen nur teilweise an die Gäste weiter.“

Klar sei aber: Lange werden die Betriebe das nicht durchhalten können, ohne in die Verlustzone zu rutschen. Die Bundesregierung müsse so schnell wie möglich die Gaspreisbremse umsetzen, fordert Hartges. „Gleiches gilt für die angekündigte Strompreisbremse.“

Warnstreiks der ­Metaller in ganz Deutschland! Grund: keine Einigung im Tarifstreit für 3,9 Mio. Beschäftigte.

Die Gewerkschaft fordert 8 Prozent mehr Lohn, die Arbeitgeber bieten 3000 Euro Einmalzahlung und eine Erhöhung mit einer Laufzeit von 30 Monaten. IG-Metall-Boss Jörg Hofmann zu BILD am SONNTAG: „Während die Unternehmen höhere ­Kosten oft in den ­Preisen weitergeben, sind die Beschäftigten der Hammerinflation ausgeliefert.“

Hofmann fordert einen „Entgelt-Turbo, sonst drohen Wohlstandsverluste“.

Seit Monaten treiben auch die hohen Spritpreise die Inflation. An der Autobahnraststätte Vaterstetten West (Foto) bei München kostete der Liter Diesel am Freitag rund 2,46 Euro, der Liter Benzin 2,40 Euro.

Auch abseits der ­Autobahn ist das Tanken viel teurer als noch vor einem Jahr: ­Bundesweit kostet der Liter Benzin aktuell 1,89 Euro (plus 12,5 Prozent), der Liter Diesel 2,11 Euro (plus 34 Prozent, clever-tanken.de).

Für die sechsköpfige Familie Robledo aus Bayern wird es selbst beim Discounter immer teurer. Im April belief sich der normale Wocheneinkauf auf 150 Euro, jetzt kosten die gleichen Waren im selben Laden 30 Euro mehr – ganze 20 Prozent!

Juan Robledo (37, Metall-Polierer) ist geschockt: „Meine Frau kümmert sich um die Kinder, ich bin bei uns der Alleinverdiener. Langsam weiß ich nicht mehr, wie wir das alles bezahlen sollen.“ Auffällig beim Einkauf: Viele ­Artikel, die es bis vor Kurzem noch im Doppelpack gab, werden jetzt einzeln verkauft.

Der Familienvater ­weiter: „Unter der Woche geht meine Frau meistens noch mal ­Windeln und Hygieneprodukte kaufen. Wir zahlen monatlich über 150 Euro mehr für unsere Einkäufe als noch zu Beginn des ­Jahres. Und wir kaufen wirklich nur das Nötigste.“