Zanders: Der Aufstieg einer großen Marke - Bürgerportal Bergisch Gladbach

2022-11-03 15:45:19 By : Mr. Admin Prettyhome

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Die Papierfabrik Zanders prägt seit fast 200 Jahren das Bild und Geschehen der Stadt Bergisch Gladbach. Das Unternehmen gehörte zu den führenden Konzernen der Papierindustrie – und stürzte tief. Im Moment kämpft die Papierfabrik erneut um ihre Existenz. Für das Bürgerportal der Anlass, in einer Serie in die Geschichte der Traditionsfirma einzutauchen.

Wie konnte es zu Aufstieg und Fall des weltweit bekannten Papierunternehmens Zanders kommen? Was benötigte die J.W. Zanders GmbH für ihren Erfolg mitten in Bergisch Gladbach? Wie engagierte sich das Unternehmen in der Stadt?  Wann wendete sich das Schicksal des Unternehmens, das über Generationen hinweg von einer erfolgreichen Unternehmerfamilie geführt worden war? Wie waren Politik und Industrie miteinander verflochten? Und wann strebten die beiden Pole auseinander?

Antworten auf die Fragen zur weltberühmten Firma an der Gohrsmühle gibt nur der Blick zurück. Das Jahr 1822 markiert den Beginn einer zunächst erfolgreichen Unternehmensgeschichte. Johann Wilhelm Zanders gründet zusammen mit Gottfried Fauth die Firma Fauth and Zanders.

Das Unternehmen wird an der Schnabelsmühle ins Leben gerufen, die bereits 1582 erwähnt wurde und heute nur noch als Namensgeber für einen Kreisel mit Parkplatz dient. Es ist eine einfache Papiermühle.

Sieben Jahre nach der Gründung entsteht dann die Papierfabrik J.W. Zanders. Fauth war verstorben, Johann Wilhelm übernimmt die Zügel.

Aber nur kurz: Auch er stirbt kurze Zeit später und erstmals rückt eine Frau an der Spitze der Papierfabrik: Ab 1832 lenkt Julie Zanders die Geschicke des Unternehmens, mit Maria Zanders wird später eine weitere, ungemein populäre, bekannte und das Unternehmen prägende Frau an die Spitze des Unternehmens rücken.

Julie agiert passabel und kann 1848 die Leitung des Unternehmens an ihren Sohn Carl Richard Zanders übergeben. Ein gutes Vierteljahrhundert hat Zanders im beschaulichen Gladbach agiert. Nun heißt es aktiv werden: Die Papiermühle muss den Wandel zur industriellen Papierproduktion stemmen.

Die Gründe liegen auf der Hand: Die Nachfrage nach Papier stieg rasant, z.B. durch den Ausbau der Verwaltung im Land sowie die Zunahmen von Druckerzeugnissen.

Die althergebrachten Papiermühlen können dem Bedarf nicht mehr gerecht werden. Papier wird aus dem knappen Rohstoff Lumpen hergestellt, in mühseliger Handarbeit. Neue Rohstoffe müssen her, der Produktionsprozess muss beschleunigt werden.

Dieser Beitrage ist Teil eines Schwerpunkts zu den großen Unternehmen in Bergisch Gladbach. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen, wie sie wurden, was sie jetzt sind. Die Beiträge zur aktuellen Insolvenz der Nachfolgefirma Zanders Paper finden Sie hier.

Carl Richard agiert zunächst verhalten: Während 1843 bereits die erste Papiermaschine der Konkurrenz an der Dombach steht, setzt er noch auf die Qualität seiner handgeschöpften Papiere. Doch schließlich kann auch er sich der Entwicklung nicht verschließen.

1851 wird eine Trockenstube zum Schnelltrocknen errichtet, 1854 folgt eine Satiniermaschine zur Glättung des Papiers. Außerdem wird die Leimung verbessert, um das Verlaufen der Tinte beim Beschriften des Papiers zu verhindern.

Ein Jahr später dann die Revolution: Die Dampfkraft zieht ein bei Zanders. Eine Dampfröhrenheizung markiert endgültig den Einzug des Industriezeitalters. 1860 folgt eine Papiermaschine, die Arbeitsschritte wie Schöpfen, Trocknen, Leimen oder Glätten automatisiert.

Die Investitionen von Carl Richard sind in der Stadt spürbar: Die Beschäftigtenzahlen steigen bei Zanders von 180 Mitarbeitern im Jahr 1840 auf 446 Ende der 1850er Jahre. Zanders entwickelt sich zum zentralen Arbeitgeber, findet im Umfeld genügend Arbeitskräfte, um sein Wachstum voranzutreiben.

Und Carl Richard kommt unter die Haube: Seine Hochzeit mit Maria Johanny stellt die Weichen für weitere Erfolgsjahre, die Kontinuität als inhabergeführtes Unternehmen ist gesichert.

1863 erhält das Unternehmen eine Konzession für eine Gasfabrik und setzt bald auf Expansion. So kauft Carl Richard 1868 die benachbarte Gohrsmühle, die er bereits seit 1865 gepachtet hat.

Hier, auf dem heutigen Zanders-Gelände, geht er in punkto Modernisierung deutlich schneller vor und stattet die Mühle mit einer Papiermaschine, einer Dampfmaschine sowie einem Holländer zur raschen Lumpenzerkleinerung aus. Zellstoff, der die Lumpen als Papierrohstoff ersetzen soll, wird hier bereits teils aus Stroh gewonnen. Damit entsteht der Kern der Papierfabrik Zanders, wie sie auch heute noch besteht.

Die Zahl der Mitarbeiter an der Gohrsmühle wächst zu Beginn der 1870er auf knapp 390. Die Produktion legt von 620 Tonnen Papier im Jahre 1865 auf 1.430 Tonnen in 1870 zu.

Die Standortfaktoren vor Ort passen: Genügend Fläche zur Expansion, ausreichend Arbeitskräfte für das angestrebte Wachstum. Und Möglichkeiten zur Nutzung lokaler Ressourcen.

Die Wasserkraft der Strunde treibt die Maschinen bei Zanders an, verliert aber nach und nach an Bedeutung – zumindest als Energeiquelle. 1899 erwirbt man die Strundequelle in Herrenstrunden. Der vormals fleißigste Bach Deutschlands wird zunehmend für Abwässer genutzt und damit zu einem der am stärksten verschmutzten Gewässer im Rheinland.

Die Früchte seiner Arbeit kann Carl Richard nicht mehr ernten: Er stirbt 1870, seine Frau Maria Zanders übernimmt das Ruder. Die gebildete, künstlerisch begabte und kulturell engagierte Frau aus Hückeswagen soll die Geschicke des Familienunternehmens bis 1904 lenken und die Stadt nachhaltig prägen.

1876 fügt Maria dem Papierunternehmen eine dritte Mühle hinzu: Die Dombacher Papierfabrik AG. Ihre Berater sind strikt dagegen, doch Maria setzt sich durch. Die Dynastie herrscht nun über die Papierproduktion in drei Mühlen.

1891 folgt die Elektrifizierung mit Licht, 1901 der Anschluss ans Eisenbahnnetz, was wichtig für die Rohstoffzulieferung sowie den Absatz der Produkte wird. Dazwischen steigt Maria Zanders 1895 in die Produktion von Kunstdruckpapier ein. Eine Streichmaschine macht die Ausweitung des Angebotes möglich.

Maria Zanders wird zur Chefin über ein Heer von Arbeitern: Waren 1870 gut 712 Arbeiter:innen in Lohn und Brot, zählte das Unternehmen kurz vor dem ersten Weltkrieg bereits 1.500 Zanderianer.

Das verlangt nach zusätzlichen Kapazitäten in der Verwaltung: 1898 entsteht an der Gohrsmühle das Verwaltungsgebäude, 1904 wird es nochmals erweitert. Der Bau prägt noch heute das Stadtbild.

Mit dem Einstieg von Marias Söhnen Richard und Hans wird einmal mehr die Grundlage für den Fortbestand der Dynastie gelegt. Richard heiratet Anna Siemens, eine Tochter von Werner von Siemens, und wird als Stadtverordneter aktiv.

Damit beginnt eine Phase des „sichtbaren“ Engagements von Zanders in der Politik, die bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts andauern soll.

Richard Zanders engagiert sich als Städteplaner, zu seinen Projekten gehören die Gründung der Gronauer Waldsiedlung 1897, der Neubau des Rathauses 1905/06 sowie die Erneuerung von Schloss Lerbach 1893.

Ob sein Engagement als Stadtverordneter hilfreich ist, sei dahingestellt. Immerhin spendierte er der Stadt 30.000 Mark, damit das Rathaus nach den Plänen seines Architekten Ludwig Bopp gebaut wird. Der zeichnet auch für den Neubau von Schloss Leerbach und – zumindest zu Beginn – für die Gronauer Waldsiedlung verantwortlich.

Die Gronauer Waldsiedlung – heute bevorzugte Wohnlage im Innenstadtbereich – ist ein cleveres Projekt: Hier wohnen Arbeiter und Angestellte von Zanders in unmittelbarer Nähe zu den Produktionsstätten. Der Standortfaktor „Fläche“ ist noch leicht verfügbar und lässt solche Vorhaben zu.

Auch die Direktorenhäuser nahe des Zandersbades, von denen eines für den Bau der Bensberger Straße weichen musste, ließen sich vergleichsweise einfach in der Innenstadt errichten. Dies wäre heute undenkbar.

Der Wohnungsbau ist nur eine Seite des sozialen Engagements der Fabrikanten. Mit der 1895 gegründeten Bismarckstiftung sollen die Arbeitnehmer:innen in Notfällen unterstützt werden, Badeanstalten dienen der Hygiene. Zanders errichtet Milch- und Kaffeeküchen und 1886 eine Suppenanstalt. Es gibt Zuschüsse für die Obst- und Ziegenzucht.

Unternehmenschefin Maria Zanders kümmert sich zudem um die kulturelle Bildung der Arbeitnehmerinnen und gründet den Cäcilienchor. Proben und Aufführungen sorgen für die Weiterbildung der Sänger:innen, die sich aus den Mitarbeitern rekrutieren. Der Chor ist heute noch als Konzertchor Bergisch Gladbach aktiv.

Der spätromantische Komponist Max Bruch, der von Maria Zanders protegiert wird, komponiert für den Chor und tritt gar selbst hin und wieder ans Dirigentenpult. Probenort soll das Foyer der Villa Zanders sein – die Industriellenvilla wird 1873/74 in der Stadt errichtet und entwickelt sich zu einem städtebaulich prägenden Angelpunkt für Kultur und Wirtschaft der Stadt.

Zanders tut etwas für seine Arbeiter:innen. Dennoch protestierten die Papiersortiererinnen im Sommer 1906 gegen niedrige Löhne. Es kommt zum Streik, der die Anführer den Arbeitsplatz kostet. Der Arbeitskampf verliert an Schwung, wohl auch weil Bürgermeister Schröter „Überwachungsberichte der Arbeiterversammlung“ an die Firma J.W. Zanders gegeben haben soll.

Die Firma wird mittlerweile von Hans Zanders alleine geleitet. Dessen Bruder Richard war am 28. März 1906 beim Hantieren mit einem Revolver ums Leben gekommen. Hans wird für den Ansehensverlust der Fabrikantenfamilie bei den Arbeiter:innen verantwortlich gemacht. Mit ihm sei das Verständnis für die sozialen Verhältnisse der Angestellten aus dem Unternehmen verschwunden, moniert damals der Gewerkschaftsfunktionär Sommer.

Politisch setzt Hans die Tradition von Richard fort und wird 1906 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Als Kuratoriumsmitglied engagiert er sich für die höhere Mädchenschule, stiftet die Turnhalle des Progymnasiums und gemeinsam mit Schwägerin Anna, Richards Witwe, das Zanders-Bad, das 1914 die Tore öffnet.

Wohltaten, die das weitere Wachstum von Zanders in der Stadt nicht unbedingt hemmen, und Bergisch Gladbach mehr und mehr den Stempel der Papierstadt aufdrücken.

Der Erste Weltkrieg geht auch an Zanders nicht spurlos vorüber. Die Produktion bricht innerhalb eines halben Jahres von 1.906 Tonnen auf 225 Tonnen (Dezember 1914) ein. Die Produktion stagniert in einem Unternehmen, das zu dieser Zeit 20 Prozent der im Gewerbe beschäftigten Menschen in Bergisch Gladbach Arbeit gibt.

1929, zum 100jährigen Firmenjubiläum von J.W. Zanders (Fauth und Zanders war 107 Jahre zuvor gegründet worden), wähnte man sich jedoch wieder auf ähnlichem Niveau wie vor dem Ersten Weltkrieg.

Ein Kraftwerk mit zwei Turbinen sichert die Energieversorgung, Hans Sohn Johann Wilhelm Zanders wird in die Geschäftsleitung berufen und bleibt dort bis zu seinem Tod 1978. Der vorletzte Vertreter aus der Zanders-Dynastie steht am Ruder, und wird die Papierfabrik nochmals aus den Weltkriegen in glorreiche Jahre führen.

Doch dann macht sich 1931 die Weltwirtschaftskrise in Bergisch Gladbach bemerkbar. Lohnkürzungen, Kurzarbeit, Entlassungen, niedrigeres Pensionsalter – scharfe Maßnahmen im Kampf gegen die globale Rezession. Dennoch stabilisiert Johann Wilhelm das Unternehmen bis 1935 bei 1.200 Mitarbeitern.

Über den Zweiten Weltkrieg kommt er als kriegswichtiges Unternehmen mit der Produktion von Landkarten, Kleiderkartons oder Tarnpappe für die Reichsstelle Papier hinweg.

1942 dient Zanders zudem als Produktionsstandort für Ford und Klöckner-Humboldt-Deutz. Deren Anlagen sind beschädigt worden. Ganz bleiben aber auch die Zanders-Werke nicht verschont, auch politisch nicht.

1.000 Tonnen Zellstoff, die man versteckt hält, werden von den Belgiern für deren Papierproduktion beschlagnahmt. Wegen seiner NS-Mitgliedschaft wird Johann Wilhelm Zanders zudem im März 1946 als Firmenchef abgesetzt.

Viele setzen sich für ihn ein, so dass er nach seiner Kriegsgefangenschaft wieder auf die Brücke bei Zanders zurückkehrt. Und das Unternehmen in schwieriges Fahrwasser lenkt.

Lesen Sie in Teil 2 der Serie, wie Johann Wilhelm Zanders mit Feinpapier den Weltmarkt erobert, das Unternehmen Zanders aber letztlich am eigenen Erfolg scheitert und die Unternehmerfamilie nach Generationen von Bord geht.

Die historischen Fotos entstammen (soweit nicht anders gekennzeichnet) dem Stadtarchiv Bergisch Gladbach. Das Bürgerportal bedankt sich ausdrücklich für dessen umfassende Hilfe bei Recherche und Bereitstellung des Bildmaterials. Einige weitere Fotos kommen aus dem Archiv der Stiftung Zanders.

Dieser Schwerpunkt wird gefördert durch ein Stipendium des Netzwerks Recherche.

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals. Mehr von Holger Crump

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Sehr interessant und mir im Einzelnen auch teilweise noch nicht bekannt. Bin gespannt auf den zweiten Teil, an die Zeit habe ich eine Reihe persönlicher Erinnerungen. Und die Gründe für den Niedergang dieses einstmals renommierten Unternehmens interessieren mich natürlich sehr.

Danke für diesen informativen und gut gemachten Artikel.

Eine interessante Familien-und Firmengeschichte. Danke.

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